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Das Haus,
unerbittlich geh nicht hinein die Tür unverschlossen doch lass dich nicht
rufen kehr um und flieh |
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Rezension
von Helga Helnwein, Chefredakteurin der Literaturzeitschrift "Literarische Kostproben"
des Vereins der Schriftstellerinnen und Künstlerinnen, Wien Das unerbittliche Haus ist eine Erzählung, in der die
Autorin manch seelisches Leid aus der Kindheit mit viel Gefühl und Fantasie zu
verarbeiten sucht. Das Buch ist in einzelnen Kapiteln geschrieben.
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Das Coverfoto- ein
offensichtlich zerbombtes Haus- lässt auf eine
Erzählung über
das Schicksal dieses Hauses und seiner Bewohner schließen,
aber das würde
Angelika Pauly nicht genügen... Es wird
zum Ausgangspunkt von phantastischen Geschichten, die sich hier
abspielen und die
die Realität so lange auf den Kopf stellen, bis das Haus
für immer aus der Welt
verschwindet. Aber
vorher kennt es keine
Gnade, es spielt mit den Menschen, so wie es ihm gerade passt. Das Haus,
unerbittlich Geh nicht hinein Die Tür unverschlossen Doch lass dich nicht rufen Kehr um und flieh Bis zum
dritten Stockwerk scheint es ein ganz normales Haus zu sein, mit
Geschäften und
Mietern und einem Hausmeister, der den ganzen Tag mit Fegen
beschäftigt ist,
aber ab dem dritten Stockwerk wird es unheimlich - dichter Nebel
verhindert die
Sicht nach oben, das Dach ist offen, und wer einmal versucht, die
Treppen
hinaufzusteigen, kommt nicht mehr zurück. Menschen
verschwinden in den Wänden,
dann lösen sich die Wände wieder auf, Türen
öffnen sich und führen in
Korridore, die im
Nichts enden. Leere
Wohnungen werden von Malern ständig weiß gestrichen,
doch ihre Arbeit wird nie
vollendet. Farbe und Pinsel erstarren und mit ihnen die Anstreicher
selbst. Es
passieren die schauderhaftesten Dinge, Glaser und Dachdecker
stürzen ab,
Menschen brechen zusammen, die Rettung hat Hocheinsatz. Aber es trifft
immer
nur Einzelpersonen, für andere geht das Leben seinen normalen
Gang weiter, soweit
man von einem normalen Gang in einem Haus überhaupt reden
kann, das auf einmal
Füße bekommt und davon wandert, dann wieder in die
Lüfte entschwebt, um in
einem tiefen Loch zu versinken. Aber keine Angst, es baut sich alleine
wieder auf
und alles bleibt beim Alten, bis auf den Haumeister in seinem
Graukittel, der
manchmal ausgetauscht wird, aber das bemerkt kaum jemand. Jeder ist mit
sich
selbst beschäftigt, nur die Zeit spielt manchmal nicht mit.
Uhren gehen vor und
rückwärts, aus der Vergangenheit tauchen
längst verstorbene Personen wieder auf
und verschwinden in der geheimnisvollen obersten Etage,
während es das Haus immer
bunter treibt. Es stellt sich auf den Kopf, verwandelt Hitze in
Kälte, aus
schwarz wird weiß und umgekehrt. Doch dann kommt das Ende,
das Haus bricht endgültig
zusammen und begräbt zwei bis dreihundert Menschen unter sich.
Erinnerungen
an eine Bombennacht? Die Interpretation drängt sich
unwillkürlich auf. Angelika
Pauly versteht es meisterhaft, mit ihren skurrilen Geschichten Spannung
aufzubauen, ihre Phantasie kennt keine Grenzen, ist einfach so
mitreißend, dass
der Leser am Ende bedauert, dass das Haus sein eigenes Grab gefunden
hat und
damit jede Erinnerung an seine Existenz und an die seiner Bewohner
gelöscht
wurde. Christine Michelfeit ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Rezension von Dr. Johannes Vesper am 15. Juli 2020 |