Rezension
von
Frau Dr. Dr. Christine Michelfeit
Präsidentin
der Gesellschaft der Lyrikfreunde, Innsbruck
Irgendwann sprach jemand die Zauberworte
aus „es war einmal“ und damit kam das
Märchen auf die Welt und zog ein in die
Kinderherzen und in die Herzen derer, die jung geblieben waren.
Märchen sind
uraltes Volksgut, das von Generation zu Generation weitergegeben und
von
Dichtern jeder Epoche zu einem unverzichtbaren Schatz erweitert wurde.
Jede Zeit hat ihre eigene Märchenwelt und
ihre eigenen Erzähler und zu ihnen gehört auch
Angelika Pauly, die bekannte
Autorin vieler Kinderbücher. Da aber allen Erzählern
einmal der Stoff ausgehen
kann, ließ sich Angelika Pauly diesmal etwas besonders
einfallen. Ihr Erzähler,
ein kleiner unbedeutender Mann, der gerne Geschichten erfand und sich
damit bei
den Leuten in der Stadt beliebt machte, wusste eines Tages nicht mehr
weiter
und kam auf die Idee, Buchstaben zu sammeln und oben in eine
Mühle zu werfen.
Und was kam unten heraus?: fertige Märchen, Tag für
Tag, und so konnte er bis
an sein Lebensende die Leute mit seinen Märchen
glücklich machen und damit auch
die großen und kleinen Leser dieses Buches.
Die 33 aus der Mühle purzelnden Geschichten
sind zwar unterschiedlich, beginnen aber dort, wo schon die
Märchen unserer
Kindheit begonnen haben, in einem Königsschloss, irgendwo im
Land der
Phantasie. Aber auch ein prunkvolles Schloss ist nicht unbedingt
Voraussetzung
zum glücklich sein. Denn der König, der dort herrscht
ist von Natur aus traurig
und überlässt sein Schloss den Spinnweben, die es
zerstören. Einem anderen
wiederum trocknet sein Land aus, die Rosen verwelken, die Untertanen
verlassen
ihn. Ein dritter gar ist klein, unscheinbar und unbeachtet. Zum
Glück findet
sich aber meistens eine Lösung für
alle Probleme und ein gutes Ende. Auch der Hofstaat ist etwas
eigenartig, da
wird ein Prinz geboren, der unsichtbar ist und nur mit dem Herzen
gesehen
werden kann, eine Prinzessin, die an ihrer Eitelkeit zerbricht. Die
kleinen
menschlichen Schwächen machen auch vor gekrönten
Häuptern nicht Halt.
Die Märchen wechseln dann wieder
in eine ganz andere Welt, die uns
vielleicht bekannter vorkommt, aber doch voller Geheimnisse steckt,
denn wer weiß,
dass Blumen sprechen oder sich Hummeln an Nektar überessen
können. In diesem,
für unser Auge unsichtbarem Reich regiert der Wurzelzwerg, ein
guter Geist, der
seinen kleinen Freunden mit Rat und Hilfe zur Seite steht. Ganz
köstlich die
Geschichte mit dem Tausendfüßler, der aus dem
Fernseher schlüpft und für Chaos
sorgt, gleichzeitig aber erinnert, in welcher Zeit wir
leben…und beweist, dass
auch diese, unsere Zeit, ihre Märchen braucht, auch wenn ihr
die Technik dabei
manchmal ein bisschen hilft.
Und so mahlt die Mühle weiter und weiter,
bis der kleine Büchergeist, der sich zwischen den Seiten
versteckt hat, das
Buch endgültig schließt. Und dieser kleine
Büchergeist gehört auch zu den
wunderschönen Illustrationen von Gaby Hilla, die den
Märchenwesen und ihrer
Zauberwelt Leben einhauchen.
Angelika Paulys „Märchenmühle“
ist ein ganz
besonderes Buch, das nicht nur die Kinder begeistern wird, sondern auch
alle
Erwachsenen, die tief im Inneren Kinder geblieben sind.
Christine Michelfeit
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